In the Darkness let me see
Kunsthalle.Ost
Leipzig, Germany
17.03 - 04.04.2023 
Photos: © Gustav Franz
Text: Sophia Pietryga


Wilhelm Frederking adaptiert in seiner Malerei die Art, wie historische Artefakte für Museen und vor allem für Auktionshäuser fotografiert werden. Vor weißem oder grauem Hintergrund, mit leichten Farbabstufungen und sanften Kontrasten, werden die oft nur wenige Zentimeter großen Objekte in den Katalogen um ein Vielfaches vergrößert. In der Vergrößerung wird die steinerne oder keramische, raue Struktur sichtbar, ebenso die Ablagerungen von Sand und Salzen. Frederking übersteigert diese Vergrößerung extrem und nimmt die Strukturen der Artefakte auf, sodass seine steinernen Stücke realistisch wirken, durch ihre übersteigerte Größe aber auch wie erschlagend monumentale Skulpturen. Die von ihm gemalten Objekte sind jedoch keine Kopien, sondern von ihnen inspiriert: Er ahmt nicht nur die Textur der Stücke nach, sondern wird auch von der Formenwelt inspiriert. Durch die Reminiszenz an die häufig über 1000 Jahre alten Stücke beleuchtet Frederking sowohl unseren europäischen bzw. westlichen Blick auf Werke, die bis heute von vielen nicht als gleichwertige Kunstwerke anerkannt werden, als auch durch die entkontextualisierte Präsentation der Stücke für Auktionshäuser, deren Herkunft und Legitimation als Handelsware, auch durch ihre unklaren Zuschreibungen. Gleichzeitig zeigt er durch die Weiterführung der Bildsprache, wie universell diese über die Jahrtausende und Kulturkreise hinweg ist.

Einige der historischen Artefakte, die Wilhelm Frederking als Ursprung seiner Arbeiten zitiert, weisen Reste farbiger Fassungen auf. Indem er die Farbigkeit der Stücke in seine Malerei überträgt, nähern sich seine Objekte nicht nur den ursprünglichen Stücken, sondern stellen wiederum unsere Sicht auf historische und archäologische Plastik infrage. Dass griechisch-antike Marmorskulpturen in unserer Vorstellung weiß sind entspricht beispielsweise nicht der historischen Realität, sondern Bewertungen wie der von Johann Joachim Winckelmann, der das Bemalen als „barbarische Sitte“ sah. Die Seherfahrung spielt uns einen Streich, wenn wir Buntes als weniger schön empfinden und Frederkings Polychromie zeigt, wie falsch wir damit liegen. Sein Spiel mit den Referenzen führt in die Irre, aber auch wieder aus ihr hinaus, und durchkreuzt dabei unsere Annahmen und Gewohnheiten.